Bis heute sind nur wenige Fragmente von Leinenpanzern bekannt. Anders als Rüstungen aus Metall ist das verwendete Material, Leinenstoff und organische Kleber, vergänglich und hat sich nur im Ausnahmefall erhalten. Selbst in Ägypten oder den Gebieten des Orients, in denen aufgrund sich aufgrund der Trockenheit neben Papyri auch größere Mengen von Textilien erhalten haben, hat sich nach bisherigem Forschungsstand kein größeres Stück einer Leinenrüstung erhalten. Im Folgenden sind die wenigen bekannten Fragmente vorgestellt.
Neben den originalen Leinenpanzern können einige weitere Rüstungen aus anderem Material beim Verständnis des Linothorax behilflich sein. Diese sind nach den Originalfragmenten aufgeführt.
M.Z.
Aus dem sogenannten Kriegergrab in der etruskischen Stadt Tarquinia stammt das neuere der beiden bekannten Fragmente von möglichen Leinenpanzern. Es handelt sich um den Schulterschutz einer Rüstung, dessen Brustpanzer jedoch offenbar nicht durch Leinen verstärkt war. Die Leinenlagen waren auf eine Metallunterlage aufgebracht und verstärkten auf diese Weise die Schutzwirkung. Helbig nahm an, dass die Leinenlagen ursprünglich auf der Innenseite der Schulter lagen. Da sich in dem Grab nur eine Schulterklappe befand, schlug er vor, dass die Rüstung nur über diese eine verfügt haben könnte, da die andere Schulter durch das Schild geschützt sei. Im Band von Babbi und Peltz (s.u.) ist eine mehrseitige, detaillierte Beschreibung der Fragmente von A. Stauffer zu finden. Die Leinenlagen weisen einige Bronzeknöpfe und stark aufgeraute, verfilzt wirkende Flächen auf. Ein zweites, deutlich feineres Leinenstofffragment weist Spuren eines eingewebten Meandermusters aus Wollstoff auf, der nicht mehr erhalten ist. Auch Stauffer spricht sich im Falle des gröberen Leinens für eine Nutzung als Polsterung auf der Innenseite der Rüstung aus. Die Fragmente sind heute in Alten Museum Berlin zu besichtigen.
Literatur:
Abbildung:
Das zweite und deutlich ältere Fragment eines potentiellen Leinenpanzers wurde in einem Schachtgrab in Mykene gefunden und stammt aus dem 2. Jahrtausend von Christus. Die einzige Publikationen dieses Stückes wurde von 1887 von Studniczka vor gelegt (s.u.), der das Objekt zum Teil als Überbleibsel einer Schwertscheide deutete, zum Teil als Bestandteil einer Rüstung. Unabhängig von der Verwendung beweist der Fund, dass diese Art von Verbundmaterial bereits in mykenischer Zeit Verwendung gefunden hatte. Ein Teil des Fragmentes besteht aus 14 Lagen groben Leinenstoffes, die zusammen etwa 1 cm stark sind. In der Nähe des Leinens befanden sich weiterhin Bronzeapplikationen, die zum Verschluss gehört haben könnten, sowie feiner Golddraht, den Studniczka als Dekor ansah. Er verglich einen solchen Schmuck mit dem bei Herodot 3,47 erwähnten Leinenpanzer des Amasis.
Literatur:
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Im Tumulus von Golyamata Mogila in Bulgarien wurde ein bemerkenswerter Panzer gefunden, der zwar aus anderem Material gefertigt wurde, doch im Aufbau stark an einen Leinenpanzer erinnert. Der Panzer wurde auf der rechten Vorderseite geschlossen, verfügt über zwei Schulterklappen, die auf Brust befestigt wurden und schließt am unteren Rand mit langen Pteryges ab. Der Korpus ist aus einer einzigen Lage Leder gefertigt, auf die eiserne Schuppen aufgesetzt wurden. Einige weitere Details sind hervorzuheben, die diesen Panzer kennzeichnen: Schultern und Brustpanzer sind aus einer einzigen Haut gefertigt. Die Schulterklappen sind auf der Höhe der Achsen an der Rückseite kreisförmig ausgeschnitten, wodurch die Beweglichkeit erhöht wird. Auch die abweichende Form der kürzeren rechten Schulter diente vermutlich der Erhöhung der Flexibilität. Um die besonders kritische Halspartie zusätzlich zu schützen wurde der Rüstung eine Halsberge hinzugefügt. Die Rüstung ist in das vierte Jahrhundert zu datieren und gehörte wohl einem odrysischen Fürsten.
Nähere Beschreibung und Aufbau:
Literatur:
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Ein einem der makedonischen Königsgräber (Tumulus II in Vergina) wurde ein einmaliger Panzer gefunden, dessen Aufbau stark an einen Leinenpanzer erinnert. Das Grab wurde aufgrund der Beifunde als Ruhestätte Philipps II. identifiziert, doch sicher ist dieses Zuordnung nicht. Die Rüstung verfügt über die typischen Schulterklappen und den charakteristischen Nackenschutz, ist jedoch aus gänzlich anderem Material gefertigt. Der Korpus besteht aus Eisen und ist großzügig mit fein getriebenen Goldblechen verziert. Am unteren Rand befinden sich keine Pteryges, wobei unklar ist, ob sich an dieser Stelle einmal Schutzlaschen befunden haben. Ein solch eiserner Panzer bot bei Angriffen sicherlich eine hervorragende Schutzwirkung, doch lassen die Schulterklappen, die niedrige Brust und die weiten Armausschnitte auch kritische Stellen ungeschützt. Ein aus Eisen gefertigter Muskelpanzer hätte einen besseren Schutz geboten und wäre aufgrund seiner ergonomischen Form zudem deutlich bequemer gewesen. Doch der praktische Nutzen dieser Rüstung war ohnehin nachrangig, da es sich wohl um einen Paradekürass handelt. Dies wird nicht nur durch die Nachteile des eisernen Leinenpanzers deutlich, sondern auch durch den zugehörigen, ebenfalls im Grab gefundenen Rundschild aus Gold und Elfenbein. Der Fund des Paradepanzers in Form einer Leinenrüstung legt den Schluss nahe, dass die Letzteren im späten fünften Jahrhundert im von den Mitgliedern des Königshauses als Schutz getragen wurden. Spätklassische und hellenistische Bildquellen und Plastiken stützen diese Annahme.
Literatur:
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In der Stadt Aghios Athanassios im Norden Griechenlands wurden einige makedonische Prunkgräber gefunden, in denen sich ausgezeichnet erhaltene und bemerkenswert gute Fresken befinden. Grab 3 enthielt zudem eine eiserne Rüstung, die der aus dem sog. Philippsgrab in Vergina sehr ähnlich ist. Im Aufbau entspricht sie in gleicher Weise den Leinenpanzern und verfügt über die entsprechenden Schulterklappen. Aufgrund des schlechten Erhaltungszustandes ist jedoch unklar, ob er auch mit einen Nackenschutz ausgestattet war. Von den Pteryges fehlt jede Spur. Bilder sind in der Publikation des Fundes zu finden.
Literatur:
Aus einem Grab im Tumulus von Goljama in der Nähe von Duvanlij wurden einige kleinformatige Reliefs zusammen mit Goldleisten gefunden, die möglicherweise zu einem Leinenpanzer gehörten. Es handelt sich um 5 identische Pantherköpfe, zwei vierspännige Wagen mit je einer Nike und eine Gorgoneion, allesamt aus Silber mit Goldplattierung. Die Bleche wurden wahrscheinlich auf Model getrieben und somit in größeren Mengen produziert. Sie befinden sich heute im Museum in Plovdiv, Bulgarien. Die abgebildete Rekonstruktion basiert auf dem Fund des oben vorgestellten Metallpanzers aus Vergina, der über entsprechende Goldleisten verfügt. Weitere Applikationen oder Reste des Korpus oder der Pteryges werden nicht erwähnt. Die Abbildung entstammt dem Aufsatz von Ljuba Ogenova-Marinova.
Weitere Abbildungen und Literatur:
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