Keramik

Museum Boston, 480 v. Chr.

Zur Quellenlage

 

Zur Grundlage einer Auswertung ausgewählter Darstellungen des Linothorax in der Vasenmalerei wurde das Corpus Vasorum Antiquorum (CVA) herangezogen. Das CVA bietet in insgesamt 395 Bänden eine Sammlung aller antiker Tongefäße von der Archaik bis zur Spätantike. Das seit dem Jahr 1922 laufende Projekt umfasst bis heute 100.000 Vasen aus 24 Ländern.

Die erste Problematik bei der Auswertung zeigte sich bereits in der Datierung einzelner Keramik, die in vielen Fällen nur grob einem Jahrhundert zugeordnet werden kann. Undatierte Stücke schieden für die Analyse aus. Da sich die antike Keramik durch stilistische Vergleiche nur in eine relative Chronologie setzten lässt, muss auch die fest datierte Keramik mit Vorsicht betrachtet werden. Weitere Umstände wie die schlechte Bildqualität älterer Ausgaben sowie die Vielzahl von Fragmenten, die keine eindeutigen Hinweise auf unseren Untersuchungsgegenstand liefern können, schränkten die Anzahl der zu untersuchenden Darstellungen auf 120 Vasenbilder ein, welche in einen Zeitraum von 530 v. Chr. bis 360 v. Chr. datieren. Die meiste Keramik kommt aus Athen, was sich darauf zurückführen lässt, dass die Stadt die wichtigste Produktionsstätte in der griechischen Antike war.

Die Darstellungen beschränken sich in etwa 85% der Fälle auf die Zeit 510 - 450 v. Chr. Im 4. Jahrhundert werden die Abbildungen von Linothorakes seltener. Dies ist jedoch nicht auf einen einen geringen Nutzungswert der Rüstung zurückzuführen, sondern korreliert mit der allgemeinen Reduktion von Kampfszenen in der Ikonographie in dieser Zeit.

Die Vollständigkeit und Qualität des dargestellten Leinenpanzers ist nicht an zeitliche Stilformen gebunden, sondern hängt von der individuellen Darstellungsweise des Malers ab. So verzichten Maler bei Wiedergabe großer Schlachtszenen oftmals auf die imposante Ausgestaltung einzelner Leinenpanzer. Die unterschiedliche Typenentwicklung des Leinenpanzers, welche sich in dem Zeitraum von 530-360 v. Chr. auf der Keramik konstatieren lässt, soll im Folgenden skizziert werden.

 

 

Entwicklung der Darstellung

 

Die Darstellung des Leinenpanzers in der schwarzfigurigen Malerei beschränkt sich auf fragmentarische Stücke. Auf der einzigen Vase, auf welcher der Leinenpanzer vollständig zu sehen ist, hebt er sich durch seine weiße Grundierung deutlich vom Hintergrund ab (Abb. 1). Die Schulterklappen werden an einem gemeinsamen Punkt befestigt. Der Panzer wird mit Linien und Punkten verziert.

Mit dem Wandel zur rotfigurigen Malerei um 530 v. Chr. nehmen die Darstellungen von Leinenpanzer deutlich zu. Die schwarzfigurige Malerei wird zwar nicht abgelöst, ihre Produktion jedoch stark zurückgestellt. Um die Zeit von 510 - 500 v. Chr. lässt sich eine Fokussierung auf dekorative Elementen auf dem Leinenpanzer beobachten. So werden die Schulterklappen mit unterschiedlichen Mustern versehen (Abb. 2). Der Leinenpanzer kann auch mit kreisförmigen Schuppen verziert werden (Abb. 3). Die Pteryges werden doppelschichtig dargestellt. Neben dem Leinenpanzer wird der Metallpanzer weiterhin dargestellt. Der Leinenpanzer wird nicht nur im Rahmen vom Kampfszenen dargestellt, sondern tritt auch in Szenen in Erscheinung, in denen die Rüstung angelegt (Abb. 4).

Werden Kampfszenen vor den Perserkriegen ausschließlich im mythologischen Bereich oder zwischen Hopliten dargestellt, etabliert sich ab 490 v. Chr. ein neues Feindbild in der griechischen Ikonographie. Die Feinde werden hierbei ebenfalls in einem Leinenpanzer dargestellt. In dieser Zeit werden auch Schuppen auf dem Leinenpanzer immer beliebter. Zusätzlich zu den kreisförmigen tauchen ab 480 v. Chr. auch quadratische Schuppen auf (Abb. 5). Auch werden die Schulterklappen nun durch eine Schnur mit einem Metallring in der Mitte verbunden. Quadratische Schuppen können nebeneinander mit kreisförmigen auf demselben Panzer dargestellt werden. Der leere Bereich zwischen den Schulterklappen wird mit einem Motiv, in den meisten Fällen einem Stern oder der Medusa, gefüllt (Abb. 6).

Ab 460 v. Chr. werden Dekorationselemente auf dem Panzer neu kombiniert. Die Schuppen können an beliebiger Stelle mit unterschiedlichen Motiven auftauchen. Sie können mittig des Panzers angebracht sein, wohingegen der äußere Bereich ungeschmückt bleibt (Abb. 7). Auch kann der mittlere Bereich des Panzers schwarz gefärbt sein oder der äußere Bereich mit Schuppen verziert. Die an den Schulterklappen befestigten Schnüre werden überkreuzt und an einem Punkt befestigt (Abb. 8).

Bereits zehn Jahre später nimmt die Dekoration des Panzers wieder ab, besonders Schuppen werden seltener. Die Befestigung der Schulterklappen variiert in den meisten Fällen. Doch nicht nur die Rüstung, sondern auch andere Motive verlieren an Details. Der Rückgang von Dekoration hat somit nichts mit einer Veränderung des Leinenpanzer zu tun, sondern mit dem mangelnden Bedürfnis an ausschmückenden Elementen in der Ikonographie.

Im Laufe des 5. und 4. Jahrhunderts wird die rotfigurige Malerei durch eine schlichte Schwarzfirniskeramik und andere Formen dekorierter Vasen aus dem Mittelmeermarkt verdrängt. In den wenigen Darstellungen bis 360 v. Chr. nehmen die mit einer Schnur verbundenen Schulterklappen den Mittelteil des Panzers ein (Abb. 9). Der Leinenpanzer bleibt in seiner Darstellung schlicht. Die wenigen Funde von Panzerdarstellungen in dieser Zeit lassen sich auf den Untergang der attischen Vasenmalerei zurückführen. 

 

Es lässt sich Folgendes zusammenfassen: Die Darstellung von Leinenpanzern bleibt zunächst auf die rotfigurige Malerei beschränkt. Mit dem Übergang von der schwarzfigurigen zur rotfigurigen Malerei nehmen dekorative Elemente auf dem Leinenpanzer zu, deren Ausprägung jedoch von der individuellen Darstellungsweise des Malers abhängen kann. Einige Veränderungen des Leinenpanzers lassen sich an einigen Stellen, wie an der Bindung der Schulterklappen oder dem Auftauchen von neuen dekorativen Elementen, fassen. Wo auf den ersten Abbildungen die Schulterklappen noch miteinander befestigt werden, werden sie ab 480 v. Chr. mit einer Schnur an Metallringe gebunden. Auch dekorative Elemente wie quadratische Schuppen lassen sich erst zu Beginn der Perserkriege beobachten. Im Laufe des 4 Jh. v. Chr. nehmen die Darstellung von Leinenpanzern rapide ab, was durch den allgemeinen Rückgang attischer Keramik bedingt ist.

 J. D.